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Interview mit Troll (20.05.2017)
Wie aus dem Nichts ist unlängst eine neue Band namens TROLL aufgetaucht. Das starke, zuweilen träumerische und zweifelsohne epische Debut Album (bislang nur auf Bandcamp erhältlich, eine LP ist jedoch bereits in der Mache) klingt nach Abenteuer. Und auch wenn das Quartett aus Portland Erinnerungen an Age of Taurus, The Flight Of Sleipnir, Solstice, Landskap oder The Sword weckt, steht es dennoch auf eigenen – gar nicht sooo hässlichen – Füßen. Wer steckt nun hinter den amerikanischen TROLL und was genau haben die Musiker vor? Ich nahm mit der Band Kontakt auf, um genau das in Erfahrung zu bringen, und traf auf eine auskunftsfreudige Truppe, die ihre Musik auf verschiedenen Ebenen begreift. Es antworten: John (Rainbo) – Gesang, Lou – Gitarre, Ryan – Schlagzeug und Wayne – Bass.
Hallo! In einigen alten Geschichten ist davon die Rede, dass Trolle sich manchmal hundert Jahre Zeit nehmen, bevor sie antworten, insofern freue ich mich, dass Ihr dieses Interview wahrnehmt! Doch ganz ehrlich: So ein vielseitiges Album wie Euer Debut hat ja wohl ein bisschen Aufmerksamkeit und öffentliche Wahrnehmung verdient, oder?
Wayne: Danke, dass du uns angesprochen hast! Wir geben uns Mühe, all deine Fragen in weniger als hundert Jahren zu beantworten. Was das Album angeht, so hat es schon ein wenig von sich reden gemacht, vor allem wenn man bedenkt, dass es bislang nur auf Bandcamp veröffentlicht wurde. Doch hoffentlich folgt bald ein richtiger Tonträger, so dass wir endlich auf uns aufmerksam machen können.
Rainbo: Mein Eindruck ist, dass wir alle diese Musik spielen, um auf je eigene Weise mit der uns umgebenden korrupten und verwirrten Gesellschaft klar zu kommen. Mir geht dabei vor allem darum, mit der Musik eine Plattform für Botschaften der Erleuchtung zu haben, um einige Menschen damit zu bewegen, so sie reif dafür sind. Wenn Botschaft und Musik den Raum bekommen, um wachsen zu können, werden sie auch wachsen.
Zugegeben, ich war von der Fülle der Einflüsse, die Ihr kombiniert, ziemlich überrascht: Da finden sich Spuren von englischem Doom im Stil von The Wounded Kings und Age of Taurus, epischer Proto Metal, sowie psychedelischer und Siebziger Prog Rock. Gemein wie ich bin, könnte ich mutmaßen, dass Ihr Euch über Eure Richtung noch nicht im Klaren seid, aber dieser abenteuerliche Mix gefällt mir. Wollt Ihr Euch diesen Bastelansatz mit Ideen von hier und dort bewahren?
Wayne: Wir haben wirklich keine "Richtung". Wir gründeten uns mit dem Ziel, etwas Starkes zu erschaffen… doch weiter haben wir uns darüber nicht den Kopf zerbrochen. Für die meisten von uns ist das die erste Metal Band, in der wir spielen. Wir haben alle unsere Erfahrungen gesammelt, einige im Garage, Punk, Experimental, Indie Rock, Free Jazz, und so weiter.
Ryan: Troll ist von Natur aus "Proto", denn es ist für uns alle die erste Doom Band, in der wir spielen. Wir lieben und respektieren die Handwerkskunst von Band wie Black Sabbath, doch wir haben unterschiedliche Herkünfte und ziehen Inspirationen aus verschiedenen Dingen und unterschiedlicher Musik. Im Kern sind wir zwar eine Doom Band, die Doom Songs spielt, doch je tiefer man gräbt, umso mehr Ebenen tun sich auf, und man stößt auf alles Mögliche zwischen Punk und improvisiertem Jazz. Ich habe mich ein Jahr lang im Black Metal vertieft und – pssst! – habe in einem unserer neuen Lieder die Möglichkeit erkannt, einen Blast Beat unterzubringen. Die Jungs haben es ausprobiert und es hat funktioniert. Das ist eine für Troll typische Herangehensweise und so bleibt es spannend.
"An Eternal Haunting" scheint vielen Hörern zu gefallen. Habt Ihr Lieblingssongs und wenn ja, was macht diese für Euch besonders?
Wayne: Um ehrlich zu sein, bin ich von "The Witch" und "Troll" sehr angetan, denn das sind die ersten Metal Songs, die ich jemals geschrieben habe, und zudem die ersten, die Lou und ich zusammen geschrieben haben. Zudem ist Rainbos Gesang in beiden Liedern grandios.
Rainbo: Mir machen immer noch die apokalyptischen Wellen von "Savage Thunder" und die Endgültigkeit seiner Silben zu schaffen.
Lou: "An Eternal Haunting" kam wirklich gut an. Es ist ein langes Lied, in dem sich leicht verlieren lässt. Doch von diesem Album gefällt mir auch "Savage Thunder" am besten, zumindest, wenn es ums live spielen geht.
Ryan: "An Eternal Haunting" ist ganz klar mein Favorit, denn dieses Lied hat uns an unsere Grenzen getrieben. Als Wayne, Lou und ich den Song schrieben, dämmerte es uns, dass es verdammt schwer werden könnte, dieses Lied live zu spielen. Rainbo stand schließlich vor der Herausforderung, einen Text dafür zu schreiben, und er meinte, der Song wäre extrem schwer zu singen. Und dann wurde am Ende das dynamischste und emotionalste Lied auf unserem Album daraus – man achte auf den Refrain!
Für ein Debut Album einer Underground Band tönt die Produktion Eurer Scheibe recht kraftvoll und sehr atmosphärisch. Das klingt ganz danach, als ob Ihr, neben einer Menge Herzblut und Schweiß, auch eine Handvoll Dollar für diese Produktion gelöhnt habt…? Wie glücklich seid Ihr damit und überhaupt mit dem ganzen Prozess der Aufnahmen?
Lou: Wir haben das Album mit Fester in den Haywire Studios in Portland aufgenommen. Wir haben drei Tage damit zugebracht, die Instrumente aufzunehmen, und ursprünglich hatten wir gar nicht geplant, dass da noch Gesang hinzukäme. John trafen wir erst, als uns bereits der Mix vorlag. Er nahm die Gesangsspuren zuhause auf und schickte sie Fester zu, das war schon ziemlich spannend. Alles in allem sind wir wohl glücklich mit dem Klangbild. Wir sind ja keine Band, die um jeden Preis auffallen möchte. Wir möchten die Musik für sich sprechen lassen, ohne sie über zu produzieren. Ich möchte schon noch in der Lage sein, ein Konzert zu spielen, bei dem das Publikum so etwas sagt wie 'Hey, das klang genauso wie auf dem Album!'
Rainbo: Die Band hatte nicht vor, das Album mit Gesang aufzunehmen, bis ich Lou in dem Gitarrengeschäft traf, in dem er arbeitet. Seine Schlaghose verriet mir, dass er einen Hang zum Metal oder Psych Rock haben könnte, und so verstrickten wir uns in einer Unterhaltung über harte Musik. TROLL waren bereits eine Weile als Instrumental Band zugange und hatten auch einige Kandidaten zum Vorsingen gebeten – ohne Erfolg. Ich ließ durchscheinen, dass ich bereits in einer Doom Band gesungen hätte, und wurde also zu einer Probe eingeladen. Seitdem haben wir nicht aufgehört, zu proben.
Ich nahm den Gesang im Parterre eines abbruchreifen Hauses, wo ich meinen Van parkte, auf einem sehr alten Mac Book auf, und zwar zwei Monate nachdem das Album eigentlich im Kasten war. Mein Gesang wurde also hinzugemischt. Den Gesang jedoch losgelöst von der Energie der übrigen Aufnahmen zu meistern, war eine echte Herausforderung. Ich musste mich letztlich mit einer Leistung abfinden, die nicht dem entsprach, was ich mir vorstellte, die jedoch meinem kreativen Impuls und dem Geist der Texte noch einigermaßen gerecht wurde. Das nächste Mal strebe ich eine vielschichtige Produktion mit viel mehr Ebenen, Harmonien und mystischen Stimmen an. Ich erlebe mich nicht als rundum reifen Sänger oder Frontmann, sondern ich bin fortwährend bemüht, meinen Körper und meine Techniken zu verbessern, um genau die Botschaft transportieren zu können, die mir vorschwebt.
In seiner kurzen Abhandlung über den Sinn des Lebens schreibt Terry Eagleton darüber, wie eine Jazz Band jammt und spielt: "There is pleasure to be reaped from this artistry, and – since there is a fulfilment or realization powers – there is also happiness in the sense of flourishing." Könnt Ihr etwas anfangen mit der Idee, gemeinsam Musik zu spielen und im Zusammenspiel zu wachsen, könnte ein Sinn des Lebens sein? Welche Bedeutung hat TROLL für Euer Leben?
Lou: TROLL ist schnell zu einem wichtigen Bestandteil meines Lebens geworden. Wayne und ich kennen uns bereits seit geraumer Weile durch andere Freunde, und in Folge eines zufälligen Gesprächs im Gitarrenladen entschlossen wir uns, gemeinsam Musik zu machen. Er hatte bereits einen Schlagzeuger an der Hand, und so vereinbarten wir noch in derselben Woche eine Probe. Es funkte auf Anhieb. Wir wussten bzw. wir fühlten es einfach. Dieses sichere Gefühl hatte ich von Anfang an bei TROLL. Ich habe das Gefühl, dass wir gemeinsam auf etwas wirklich Substantielles gestoßen sind, das nicht gerade einfach zu finden ist.
Ryan: Das geht mir genauso. TROLL hat für mich eine kathartische Funktion. Wenn wir gemeinsam musizieren, dann sind wir alle voll dabei. Dieses Erleben ist selten und schön. Im Grunde sollte ich mich jedes Mal, bevor ich mich hinter das Schlagzeug setze, verbeugen. Es wäre angemessen.
Euer Album ist via Bandcamp als Download erhältlich, Ihr habt allerdings bereits eine Vinylversion angekündigt. Gibt es dazu Neuigkeiten?
Wayne: Wir arbeiten mit Kozmik Artifacts / Oak Island Records daran, die Platte so schnell wie möglich pressen zu lassen. Wir werden das Layout hoffentlich noch diese Woche fertigstellen!
Eure Songtitel und Texte scheinen vom guten alten Proto und Epic Metal, sowie von der Edda und sogar der Bibel beeinflusst zu sein… ist das quasi Euer Tribut an Bands wie Cirith Ungold und Manilla Road?
Rainbo: Das Album ist eine Allegorie, bei der ich auf den tatsächlichen Charakter eines Trolls zurückgreife. Das war die einzige Vorgabe, die mir die Band gemacht hatte: Ein Konzeptalbum über einen Troll zu schreiben. Dieser auf Wanderschaft befindliche Protagonist sieht sich dunklen und bösen Mächten ausgesetzt. Ein übler Zauberer hat den Troll aus den Wurzeln eines Pilzes wachsen lassen und ihm allerhand Lügen über seine scheinbare Gegnerin in dieser Welt, der Hexe, eingetrichtert. Der Troll wächst schnell heran und ist sofort aller Illusionen beraubt, während er über die Erde wandelt und sich fragt, ob er ein Kind der Natur ist, oder doch nur eine Ausgeburt dieser titanischen Kräfte, die sich im Kampf aufreiben. Er findet keinen Trost in diesen Herausforderungen und Auseinandersetzungen, doch er sammelt Kräfte, um die Hexe in einem letzten Akt der Wut niederzuschlagen. Er verändert sich, als er gewahr wird, dass die Welt durch seine Tat aus den Angeln gerät, dass jede Feindschaft und Aggression dazu beiträgt, Unheil zu mehren, sei es die Vernichtung der Natur oder die Vernichtung des menschlichen Körpers durch einen Virus, der sich zu lange ausbreiten konnte. Der Troll entkommt, indem er einen astralen Drachen beschwört, flieht vor dem letzten Gericht und beginnt seine Reise durch die sternenlose Leere. An diesem Punkt wird es auf dem nächsten Album weitergehen.
Die Allegorie ist simpel: Der Troll verkörpert jeden von uns, während die Hexe und der Zauberer für die transnationalen Kapitalisten und Oligarchen stehen, welche eine Balance zwischen arglistigem Betrug und vererbter autoritärer Macht anstreben, um nicht die Deiche zu gefährden, welche der Aufruhr aus dem Volk standhalten müssen. Der Sturm der Erleuchtung ist letztlich die sprichwörtliche Vernichtung der Menschheit durch die gewaltige Kraft unseres Heimatplaneten.
Meine literarischen Einflüsse umfassen Geezer Butler, Albert Witchfinder, Hansi Kürsch, J.R.R. Tolkien, U.K. LeGuin, die mystischen Schriften der Bibel, keltische und skandinavische Mythologie, antike Todeskulte, Sufi-Dichtung und Lao-Tzu. Mich freut dein Hinweis auf Solstice, denn ihr Album „New Dark Age“ und ganz besonders das Lied „Cimmerian Codex“, bringt eine triumphale Trostlosigkeit zum Ausdruck, die ich auf gewisse Weise sehr inspirierend finde. Geezers Zeilen "I don’t believe in violence / I don’t even believe in peace" von "Vol.4" fassen für mich die Essenz des Doom Metal zusammen.
Das Cover Artwork Eures Demos ist herausragend hässlich, während das Cover Eures Debuts mir ungleich sympathischer erscheint, dennoch scheint Euch das ästhetische Erscheinungsbild von TROLL nicht sonderlich zu kümmern, oder irre ich mich da?
Rainbo: Ich glaube nicht, dass diese Band bislang ein ästhetisches Konzept in dem Sinne verfolgt, wie es beispielsweise bei Candlemass oder Solitude Aeternus der Fall war – es handelt sich eher um ein organisches Viech. Wir konnten uns nicht auf ein Albumcover einigen, daher bastelte ich an dem Bild von Theodor Kittelsen herum, der von einigen Koryphäen unserer Szene bereits aufgegriffen wurde und viel mehr Beachtung verdient hätte. Das Bild zeigt ursprünglich einen Troll, der einen hilflosen Jungen über ein Feld jagt. Ich habe die Farben zugunsten einer dystopischen Atmosphäre etwas verändert, und somit hatten wir ein Cover. Die anderen mochten es, also nahmen wir es.
Da ich ein kleines Label namens Trollmusic betreibe, muss ich fragen, was Euch dazu gebracht hat, Eure Band auf den Namen TROLL zu taufen und was Ihr damit verbindet? Und ist nicht all das histrionische Gewäsch um so genannte "Internet-Trolle" einfach zum Kotzen? Ich könnte mich ja mit einem Slogan wie "Trolls above Trump" anfreunden – wie seht Ihr das und ist TROLL im weitesten Sinne politisch?
Lou: Um den Namen gab es heiße Diskussionen, wie immer, wenn es um Bandnamen geht. Es gab jedoch keine anderen Favoriten, an die ich mich heute noch erinnern könnte. Bereits früh sprachen wir über "TROLL" und witzelten herum, bis uns mit einem Mal bewusst wurde, dass wir den Namen mögen. Ich hatte auch von Anfang an die Idee, so etwas wie ein Konzept-Album zu entwickeln, dessen Songs eine größere Geschichte erzählen. So kam es dazu, dass der Troll-Mythos Gestalt annahm, und dabei blieb es auch. Das Gerede über Internet-Trolle nervt wirklich, aber alles in allem gelingt es uns gut, das auszublenden. Wir sind nicht in erster Linie eine politische Band, doch Rainbos Texte enthalten mehr Substanz, als es zunächst den Anschein haben mag.
Ihr habt kürzlich in Old Nick’s pub in Eugene gespielt, und tretet bald beim Ceremony of Sludge VI in Portland auf. Träumt Ihr davon oder gibt es bereits konkrete Pläne, über den großen Teich zu jetten, um europäische Bühnen zu besuchen?
Wayne: Ja, Träume gibt es. Hoffentlich können wir das nach der Veröffentlichung des Vinyls in Angriff nehmen und nach Europa kommen. Vielleicht kannst Du uns helfen?
Rainbo: Ich werde meine Seele an Deinem Tor ablegen, wenn Du das Silber findest.
Die Aufnahme vom Konzert im Old Nick’s (die auf Youtube zu finden ist), lässt mich angesichts von Johns Bewegungen den jungen Messiah Marcolin erinnern: John scheint seine Knochen bewegen zu wollen, bevor ihn die Sonne zu Stein verwandelt – oder ist er gar "bewitched"…? Ist für Euren Metal eine (leichte) Dosis Verrücktheit von Vorteil?
Lou: Lustig, dass du das ansprichst. Bevor wir John trafen, machte ich einen Witz, als ich sagte, dass wir "Bewitched" von Candlemass spielen sollten. Falls das ein Sänger bei einem Vorsingen schaffen würde, dann hätten wir den richtigen gefunden. Wir haben zwar den Song nie gelernt, doch anscheinend auch so den richtigen gefunden. Verrücktheit kann einen verrückt machen, aber auch großartig zu harter Musik beitragen.
Rainbo: Selbst wenn das Licht des Morgens an Stärke gewinnt, gibt es auch in den schwindenden Schatten Furchteinflößendes zu entdecken. Wir müssen aufhören, auf Atomkraft zu setzen, und wir müssen die Macht des Geldes zerstören, um dann zu diskutieren, wie wir all dem Leid, dem Wahnsinn und der Korruption in dieser Welt ein Ende bereiten können. Der Wahnsinn ist in mir, und er ist in dir! Peace now!
Danke, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt – bleibt so trollisch und lasst es krachen für eine Welt jenseits des gängigen Konsumismus und der depressiven Apathie! Skål!
Rainbo: Dank dir, dass du uns zu unserer Musik und unserem eigenen kleinen Wahnsinn befragt hast!
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